Die Magie des Singens
Singen ist für mich eine Form der Persönlichkeitsentwicklung. Seit eineinhalb Jahren nehme ich nun Einzel-Gesangsunterricht. Auch wenn ich nicht anstrebe, Profi-Sängerin zu werden, kann ich schon sagen, dass mir das Singen mit meiner Gesangslehrerin Darya gut tut und mich weitergebracht hat. Meine Stimme ist stärker geworden, ich kann meine Energie besser wahrnehmen und auch mein Gesang hat sich verbessert.
Was bewog mich dazu, Gesangsunterricht zu nehmen? Mein Bruder nahm vor einiger Zeit Gesangsunterricht, um sein Stottern zu überwinden – und es hat ihm geholfen. Da ich manchmal undeutlich und zu schnell rede, habe ich mir gedacht, dass es nicht schaden kann, es mal mit dem Singen unter professioneller Anleitung auszuprobieren. Ich hatte davor schonmal ein Sprechtraining absolviert, das mir auch wertvolle Erkenntnisse in Bezug auf mein Sprechen und Auftreten lieferte. Aber hier kam einfach der Spaßfaktor zu kurz. Singen, beziehungsweise Musik, bringen mir dagegen, schon seit ich denken kann, unglaublich viel Freude. Vor ein paar Jahren fand ich auch den Mut, Karaoke zu singen, was vor allem im Freundeskreis viel Spaß macht.
Musik sprengt die Grenzen der Kommunikation des reinen Sprechens. Hier können Gefühle und ganze Stimmungsbilder ausgedrückt werden. Mit Liedern verbinden wir Erinnerungen. Auch in den Mythen und Sagen spielt das Singen eine Rolle. Man denke an die Sirenen in der griechischen Mythologie, die durch ihren schönen Gesang die vorbeifahrenden Seefahrer anlockt und sie ins (Schiffs-)Unglück treibt. Auch das Singen in der Gruppe entfaltet eine besondere Kraft: Emotionen können geweckt und ein Gefühl der Zusammengehörigkeit beschworen werden – wie zuletzt bei den Demos gegen die AfD und den Rechtsruck in der deutschen Gesellschaft, bei denen das Lied „Wehrt euch, leistet Widerstand“ gesungen wurde.
Beim Singen geht es um das Ausdrücken starker Gefühle
Wieso singen wir? Durch das Singen können wir starke Gefühle, wie Freude oder Trauer, ausdrücken. Dabei sollte der Sänger alles geben, was in ihm drin ist. Die Atmung spielt eine zentrale Rolle. Der Atem ist der „Motor“, der die Stimme trägt. Vor allem wenn wir tief einatmen und die Bauchatmung nutzen, können wir lange ausatmen und Kraft in der Stimme aufbauen. Im Körper zieht sich bei Atmung in den Bauch das Zwerchfell, eine dünne Muskelschicht zwischen Brust- und Bauchraum, zusammen und wird flach. Die Folge: der Brustraum wird größer und die Lunge dehnt sich aus. Durch verschiedene Übungen, die ich beim Gesangsunterricht zum Aufwärmen mache, kann ich das Zwerchfell trainieren. Dazu gehört zum Beispiel das lange Ausatmen auf den Ton f.
Ein anderer wichtiger Faktor beim Singen sind die Gefühle. Oder wie meine Gesangslehrerin sagt: die Stimme folgt dem Gefühl. Dabei kann man Lieder nochmal anders kennenlernen. Man setzt sich vielleicht zum ersten Mal mit dem Text und der erzählten Geschichte des Songs auseinander. Was erzählt der Autor des Stücks und was fühlt er dabei? Vielleicht hat man selbst diese Gefühle noch nie selbst erlebt und drängt in neue Gefühlssphären vor.
Singen bedeutet, den Körper mit den Gefühlen zu verbinden
Schließlich spielt auch die Energie, die man in den Song bringt, eine Rolle. Man sollte nicht zu entspannt, aber auch nicht zu angespannt sein.
Singen erinnert mich ein bisschen an Yoga. Beim Yoga geht es um die Verbindung von Körper und Geist. Beim Singen ebenso um die Verbindung des Körpers mit den Emotionen. Für jemanden wie mich, die oft mehr im Kopf als in den Gefühlen zuhause ist, ein ideales Hobby. Auch lerne ich durch das Singen, mehr aus mir rauszugehen. Meine Gesangslehrerin ertappt mich des Öfteren dabei, wie ich mitten in einer Songzeile mich zurückziehe und mich verschließe, indem ich meinen Kiefer unbewusst verenge und damit meine Stimme verkleinere. Dabei zeige ich wohl auch das Verhalten auf, was ich im realen Leben gerne mache: mich zurückziehen und verstecken. Doch beim Singen sollte man seine Energie eben auf die Außenwelt richten und seine Songbotschaft durch eine kraftvolle klingende Stimme, die die Gefühle des Songs ausdrückt, nach außen tragen. Es geht um Kommunikation.
Wenn man es schafft, einen Song mit kraftvoller Stimme und mit Gefühl vorzutragen, hat man seine Stimme zum Klingen gebracht. Dieses Ziel will ich erreichen.
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