Wenn wir an einen Ort im Ausland reisen und dann beim Hotel oder der Ferienwohnung ankommen, ist unsere größte Sorge heutzutage nicht, wie man ins Stadtzentrum oder an den Strand, sondern wie man ins WLAN-Netzwerk kommt. Falls man während der Anreise auf dem Handy keinen Internetempfang hatte, fragt man sich, ob wohl jemand bei Whatsapp eine Nachricht geschrieben hat und was sonst in den sozialen Netzwerken geschehen ist. Wenn dann die lang ersehnte Verbindung des Smartphone mit dem WLAN- Netzwerk vollzogen ist, verbringt man dann den Rest des Tages am neuen Ort damit, herauszufinden, welche Spots die schönsten Motive für Fotos abgeben könnten, also besonders Whatsapp-, Instagram-&Co-Status-tauglich sind. Schließlich will man ja seinen Freunden und dem Bekanntenkreis zeigen, was für einen tollen Urlaub man hat.
Doch irgendwo liegt doch da ein Denkfehler vor. Anstatt sich auf das Hier und Jetzt und den Reisepartner zu besinnen, ist man in Gedanken wieder ganz woanders. Anstatt sich zu sorgen, ob es einem selbst gefällt, sorgt man sich darüber, ob es wohl den anderen gefallen wird.
Jeder möchte geliebt werden
Anstatt uns mit unseren eigenen Wünschen und Sehnsüchten zu verbinden, verbinden wir uns mit dem Internet, wo eine Flut an optimierten Fotos mit „Meine Welt ist so schön“-Botschaften auf uns hereinströmt und wo wir oft auch eifrig mitbieten möchten. Diese Sorge, selbst bei diesem Wettbewerb nicht mitbieten zu können, wird als „Fear of Missing Out (FoMO)“ bezeichnet. Verschiedene Studien haben aufgezeigt, dass der ständige Vergleich mit den optimierten Körpern und dem vermeintlich aufregenden Leben auf Social Media gerade bei Jugendlichen zu psychischen Schäden wie Depressionen führen kann. Jeder ist zum PR-Manager für die eigene Sache mutiert, wo eine heile Fassade demonstriert wird und die hässlichen Seiten gekonnt ausgeblendet werden. Jeder möchte äußerlich schön sein, aber kümmert sich zu wenig um die innere Schönheit. Das Grundbedürfnis, das hinter diesem Antrieb steckt, ist eigentlich nur geliebt zu werden.
„Anstatt uns mit unseren eigenen Wünschen und Sehnsüchten zu verbinden, verbinden wir uns mit dem Internet, wo eine Flut an optimierten Fotos mit „Meine Welt ist so schön“-Botschaften auf uns hereinströmt und wo wir oft auch eifrig mitbieten möchten.“
Und früher, als es die schöne Social Media-Welt noch nicht gab? Da wurde diese Welt halt über andere Medien wie Frauenzeitschriften oder das Fernsehen transportiert, die heutzutage ja auch noch fortbestehen. Es rauscht also aus vielen Kanälen. Manche Leute werden unruhig, wenn sie mal Ruhe haben und ihren eigenen Gedanken ausgesetzt sind und sich nicht durch die ganzen Informationen berieseln lassen können.
Doch wo bleibt die eigene Stimme? Und vernehmen wir sie überhaupt noch angesichts der vielen Informationen und zum Teil auch Manipulationen, die auf uns hereinströmen? Eine gute Methode, die äußeren Eindrücke zu verarbeiten, ist eine Art Tagebuch zu führen und zu notieren, was am Tag das schönste Erlebnis war und was man nicht so schön empfunden hat. Andere schwören auf Meditation, um das eigene Bewusstsein zu spüren. Wieder andere drücken sich kreativ aus, durch Gedichte, Lieder, Bilder oder Tanz.
Kreativ sein, um sich selbst auszudrücken
Das ganze gilt nicht nur für das Denken und Mitteilen, sondern auch für das Tun. In der verwöhnten post-industriellen Welt braucht man fast garnichts mehr selbst tun. Lebensmittel liegen poliert oder schon fertig zubereitet im Supermarktregal, Klamotten gibt es normiert von der Stange und kreativen Output wie Musik gibt es bequem von der App. Die Wirtschaft soll man durch den Konsum am Leben halten. Die Corona-Pandemie und der dadurch erzwungene Stillstand hat aufgezeigt, was für katastrophale Auswirkungen der Konsumverzicht auf die Wirtschaft hat. Gleichzeitig hat das Zuhausebleiben zu kreativem Antrieb geführt. Es wurde mehr gekocht, gewerkelt und gebastelt. Und wenn dies hoffentlich erhalten bleibt, müssen vielleicht einige Fertigfood-Hersteller sinkende Absätze verkraften. Dafür gibt es dann glücklichere Menschen, die erkannt haben, dass man nicht stumpf konsumieren muss, sondern auch mit den eigenen Händen etwas Schönes und Eigenes erschaffen kann, das nicht schon vorher massenweise hergestellt wurde.
Bildquelle: Alexandr Ivanov auf Pixabay